Also um ehrlich zu sein, weiss ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Am besten wohl am Anfang. Nach einem frostigen Start in Frankfurt, der wegen zu starkem Schneetreiben zwei Stunden verspaetet gen Dubai in den Himmel stieg, kam mir der Kontrast bei der Landung am Kolkata International Airport fast wie von einem anderen Stern vor. Dschungel, der sich zwischen halb verfallenen Kolonialbauten hindurchschlaengelt; Lehmhuettensiedlungen mit Strohdaechern; grell bunte Haustueren an palmenumzingelten Villen. Draussen dann zwar nicht der erwartete Hitzeschlag, aber definitiv tropische Waerme. Zu meiner hellen Freude klappte auch die Abholung vom Flughafen einwandfrei, ich wurde von Jasper und Tunka (dem 8-jaehrigen Sohn des Human Wave-Chefs Tapas) sehr herzlich empfangen – und trotz Abwesenheit (Weihnachten zu Hause) auch von Axel, der extra einen Willkommensbrief in meinem Zimmer deponiert hat. Nach einer sehr holprigen Taxifahrt (langsam gewoehne ich mich an den indischen Fahrstil, aber die erste Fahrt ueber bengalische Landstrassen, die den Kopf im Minutentakt an die Autodecke stossen lassen, kam mir zunaechst sehr abenteuerlich vor. Bis ich zum ersten Mal auf ein hiesiges Fahrrad gestiegen bin. Aber dazu spaeter mehr).
Mankundu, der Ort, in dem wir wohnen, ist genauso idyllisch, wie Ruth ihn beschrieben hat – wenn man vom Muell (den sie natuerlich auch erwaehnt hat) absieht, aber ehrlich gesagt, den sieht man nach ein paar Tagen wirklich nicht mehr. Dann schwimmen keine Plastiktueten mehr in den romantischen Teichen, kein Abfall umrahmt die verschachtelten Gaesschen, keine Farbe blaettert von den Mauern. Naja, fast. Aber man entwickelt einfach eine Art Dreck-Filter-Sichtweise, sonst koennte man weder die Landschaft geniessen noch die Luft einatmen, besonders in der Innenstadt. Nun aber erst einmal angekommen, wurde ich von Tapas, seiner Frau Ratna und ihrer Tochter Mimi (22) begruesst, die alle unglaublich liebenswert und herzlich sind. Mein Zimmer hat mich auch positiv uebberrascht, unser Haus ueberhaupt, weil es ein 4-Sterne-Hotel ist im Vergleich zu dem, was ich erwartet habe. Wenn die Dachterasse fertig ausgebaut/aufgeraeumt ist, sind es vielleicht sogar 5. Um mich in meinem Zimmer einzurichten, habe ich allerdings noch die naechsten Tage gebraucht, flink, wie ich von Natur aus bin :) Jasper hat mich dann auch gleich, wie gesagt per Fahrrad, mit nach Lalkhuti genommen, wo eines der Human Wave-Projekte angesiedelt ist. In der dortigen Schule fand eine Art traditioneller Rhythmus-Tanz statt, dessen Gesang Kindern Moral beibringen soll, aehnlich wie Fabeln. Die Kinder haben sich irrsinnig gefreut und waren sehr stolz, uns ihre Taenze vorfuehren zu koennen. Als wir gehen wollten, haben alle angefangen, uns Blumen in die Hand zu druecken bzw. als wir sie nicht mehr halten konnten, auf die Raeder zu stecken, wodurch wir auf der folgenden Rueckfahrt (oder sollte ich sagen Odysee?) noch mehr Blicke auf uns gezogen haben als ohnehin schon. Ich muss zugeben, dass ich mir diesen Teil nicht ganz so krass vorgestellt hatte – man wird wirklich auf der Strasse von jedem unverholen angestarrt, nur weil man weiss ist. Das ist ein bisschen seltsam, man kommt sich konstant beobachtet vor. Nein, eigentlich WIRD man konstant beobachtet. Ausserdem kommt man sich, wenn man (fuer uns) normal schnell geht, wie ein ICE zwischen Bummelbahnen vor – einfach ALLES passiert viel langsamer. Aber man sollte sich nicht taeuschen lassen: Inder sind furchtlos! Der Zug faehrt in den Bahnhof ein? Ach, laufen wir doch noch schnell ueber die Schienen, sonst kriegen wir ihn nicht. Der Bus ist zu voll, um sich irgendwie reinzuquetschen? Aaach, Baucheinziehen und rein! Der Bus ist wirklich zu voll (obwohl ich bezweifle, dass es ein bengalisches Equivalent fuer 'zu voll' gibt)? Aaaaach, wozu gibt es denn die offenen Tueren, das Dach, die Griffe aussen an den Fenstern?
Was soll ich sagen, ich war erst mal ueberwaeltigt. Wenn man das alles nur von Fotos und Filmen kennt, kann man zunaechst gar nicht glauben, dass all diese Dinge jetzt live vor einem stattfinden. Ich wiederhole mich - dann reicht es wohl fuer heute.
Es gab noch ein geniales Abendessen - vom jetzigen Standpunkt kann ich bereits vorwegnehmen, dass Ratna eine Magierin der kulinarischen Hoehenfluege ist - bevor ich nach diesem ereignisgeladenen 48-Stunden-Tag tot in mein baldachinueberhangenes Bett gefallen bin :)
Sonntag, 27. Dezember 2009
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