Donnerstag, 8. April 2010

Namasté! (Nepal Teil I)

"Namasté!" ist das nepalische Equivalent zu "Grüß Gott!" (von der Verwendung her zumindest) und das Wort, das wir mit Abstand am häufigsten auf unserem 10-Tage-Nepal-Trip gebraucht haben. Da wir bereits eine ganze Weile überlegt hatten, wie wir die Entspannung unserer durchgearbeiteten Wochenenden am besten wieder aufholen und uns alle Trekking-Begeisterten von Nepal vorgeschwärmt haben, saßen wir drei irgendwann Mitte Februar in einem lauten (aber das versteht sich ja eigentlich von selbst), muffigen Bahnbüro und stellten uns die Frage, ob wir lieber das günstigste Schlafwagenabteil (6 Bett, ohne AC, ca. 3 Euro für 16 Stunden Fahrt) nehmen oder uns das leicht luxuriösere leisten sollten (4 Bett, mit AC, ca. 7 Euro). Die Sparbrötchen in uns gewannen Oberhand und so richtig bereut haben wir es ehrlich gesagt nicht. Zwar setzen sich die Leute sehr dreist ohne zu fragen einfach zu einem aufs Bett und lassen sich auch nur mit sehr viel Mühe (!) davon runter bewegen, aber durch den Fahrtwind ist es absolut kühl genug, Klimaanlage wäre also für die Katz gewesen. Nichtsdestotrotz, wirklich entspannt sind wir nicht an der indisch-nepalischen Grenze in Roxoul angekommen, weil der die ganze Nacht hindurch anhaltende Fluss von schreienden Zug-Verkäufern ("Chai! Chai! Coffee! Lemon Tea! Chai! Chai!") einen doch nicht allzu tief schlafen lässt. Dazu kam dann noch eine sehr gesprächige neue Bekanntschaft, die unser Nervenkostüm etwas überspannte, während wir uns auf den langen - und zu dem Zeitpunkt hatten wir noch keine Ahnung WIE lang - Weg nach Kathmandu, stolze Hauptstadt Nepals, machten. Unten sieht man Jasper, mich und Axel am 2. März 2010 vor unserem Aufbruch- mit wenig professioneller, aber ausreichender Wanderausrüstung und (Plastiktüten) Lunch-Paketen von Mama Ratna. Die teilweise seltsamen Farben sind keine Kamera-Einstellungsfehler - wir waren alle noch leicht Holi-Festival-eingefärbt (siehe rosa Arme, Jaspers Haare).
Am nächsten Morgen (3. März), an der Grenze, musste wir erst mal zum "Ausreiseamt" (und ja, der kleine Freiluftverschlag, den ihr unten im Hintergrund seht, IST diese offizielle Regierungseinrichtung). An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass wir auf der Rückreise an dieser Stelle eine Probleme bekommen haben - wie in den meisten (Nicht-Schengen-)Ländern muss man aus Indien "auschecken" (Stempel 1), die Grenze überqueren und dann in Nepal "einchecken" (Visum plus Stempel 2). Normalerweise funktioniert es auf dem Rückweg genauso, in Nepal auschecken (Stempel 3), über die Grenze, in Indien einchecken (Stempel 4). Dachten wir. Leider wussten wir nicht, dass Anfang März das Visa-Gesetz in Indien geändert worden war, sodass man nun (so eine bescheuerte Regelung kommt auch wirklich nur den Indern in den Sinn) mindestens 2 Monate lang im Ausland bleiben muss, bevor man wieder nach Indien einreisen darf. Aber der eifrige Beamte im Établissement unten hat es irgendwie auch versäumt, das zu erwähnen, als er uns nach unserer geplanten Rückkehr nach Indien gefragt hat...naja, egal, dazu mehr bei der Rückreise.
Nachdem also die hübsch geprägten nepalischen 15-Tage-Visa in unseren Pässen klebten, nahmen wir den nächsten "local" Bus nach Kathmandu, dessen Fahrer behauptete, in 7-8 Stunden müssten wir dort sein. Was soll ich sagen, nach 10 Stunden Fahrt ohne richtige Pause (nur ein paar 3-Minuten-Toilette-gehen-Chips-kaufen-Stops) tat mir der Rücken weh wie schon lange nicht mehr - die Straße verdiente nämlich kaum die Bezeichnung, "Schlaglochfeld" bzw. "Geröllhang" hätten es besser getroffen. Als wir also spät abends in Kathmandu ankamen und uns (trotz des abgehobenen Preises) in ein anorexisch kleines Taxi gequetscht hatten (unsere Zugbekanntschaft Claudia hatte ein Monstrum von einem Wanderrucksack dabei, das mehr Platz wegnahm als einer von uns :) ), fuhren wir direkt zum von Lonely Planet empfohlenen Guest House unserer Wahl, nahmen zwei Zimmer, duschten und gingen dann DIREKT ins nächste Steakhouse. Ihr hättet die glückseligen Gesichter der beiden Burschen sehen müssen, als die lang ersehnten Beef-Burger kamen :) Auch wenn das Khangsar Guest House freundliches Personal und eine nette Dachterasse bei zentraler Lage hatte - die Zimmer waren mit einer tschechischen Billig-Absteige in der Nebensaison zu vergleichen. Strom und heißes Wasser gab es auch nur zu bestimmten Uhrzeiten, aber es war ok. Wir beschlossen, uns erstmal von der zweitägigen Anreise-Odysee zu erholen, ein bisschen in Kathmandu zu chillen und gut essen zu gehen, bevor wir uns auf die große Tour begeben wollten. So hatten wir auch Gelegenheit, uns noch ein paar mehr Informationen über nützliche Ausrüstung und Wetterumstände einzuholen, warme Schlafsäcke zu mieten (brandneu für 50 Cent pro Tag) und eine Wanderkarte zu kaufen. Nur an Sonnencreme dachte irgendwie keiner, was ich zwei Tage später bitter bereut habe. Kathmandu, das auf ca. 1350 m über dem Meeresspiegel liegt, hatte (zumindest Anfang März) ein weitaus milderes, angenehmeres Klima als Kolkata und praktisch keine Moskitos, dafür aber 24-h-geöffnete Supermärkte (die den Namen auch verdienten), Restaurants aus aller Welt (Gnocchi mit Gorgonzola und Parmesan!!! OMG!) und eine weniger aufdringliche Bevölkerung - kurzum: wir waren sofort im Fanclub. Man muss schon auch zugeben, dass der Umstand, dass es touristischer und westlicher ist, sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringt. So sind die Nepalesen zum Beispiel viel mehr daran gewöhnt, Weiße zu sehen, und viel viel VIEL entspannter deswegen, und man bekommt wesentlich mehr westliche Produkte in Kathmandu, aber dafür ist es auch um Welten teurer als Indien. Naja, Welten ist vielleicht übertrieben, es liegt zwischen indischen und westlichen Preisen, würd ich sagen. Auf jeden Fall konnten wir uns trotz relativ schlechter Luft (Jasper hat sich gleich erstmal eine Inkognito-Feinstaubmaske angeschafft) genug entspannen, um am Freitag (5. März) frisch und munter um 6 Uhr morgens unsere Tour anzutreten. Nach einer kurzen (2 h) Busfahrt tiefer ins Kathmandu Valley hinein begannen wir von Sundarijal aus den Aufstieg. Nach einer halben Stunde waren wir bereits so durchgeschwitzt und außer Atem, dass erste Stimmen laut wurden, die argumentierten, Trekking würde sowieso überbewertet und es gäbe doch noch so viele andere Dinge zu erleben. Wer sich jetzt gleich denkt: Oh Mann, was für Weicheier - wir sind am ersten Tag, mit null komma null null Kondition, muss man dazu sagen, 6 Stunden lang halb-meter-hohe Treppenstufen hinauf gestiegen. Insgesamt haben wir 8 Stunden bis zu unserem ersten Zwischenziel, Chisopani, gebraucht, wo wir dann gleich ins erste Haus am Platze eingekehrt sind. Für 30 Cent pro Person (und das war die teuerste Unterkunft des ganzen Treks) hatten wir zwar kein warmes Wasser, dafür aber ein halbwegs sauberes 3-Bett-Zimmer (Bild unten) mit nettem Balkon und Panorama-Blick. Es war ziemlich frisch, besonders, als die Sonne weg war, und wir waren froh, die Schlafsäcke dabeizuhaben (Kälte! Frieren! Das kann ich mir im Moment gar nicht mehr vorstellen!). Das Essen war nicht sooo gut, aber nach 8 h Wandern freut man sich über so ziemlich alles, selbst wenn es Tomatensuppe aus der Tüte ist...

Am nächsten Morgen ging es um 7 Uhr gleich weiter, diesmal - sehr zu unserer Freude - 2 Stunden bergab. Nur musste ich innerhalb dieses zweiten Tages feststellen, dass ich mir am ersten Tag einen üblen Sonnenbrand geholt hatte - auf der Stirn. Dies unterstreicht nur meine These, dass das Universum WILL, dass ich einen Pony habe :) hehe
Während des Abstieges beschlossen wir, mal auszuprobieren, in Nepali Speed zu laufen. Dazu muss man sagen, dass alle Locals, die in der Sherpa Helambu Region (ca. 72 km von Kathmandu) wohnen, einem immer zweiteilige Zeitangaben-Auskünfte geben. Wenn man fragt, wie lange man zum nächsten Ort noch braucht, sagen sie immer einmal Tourist Speed, zB 4 Stunden, und Nepali Speed, ergo 1,5 Stunden. Die meisten Bewohner dieser Bergdörfer legen die Strecken, bei denen wir um jeden Höhenmeter kämpfen müssen, nämlich nicht nur mit Leichtigkeit täglich zurück, sondern sie tun dies sogar in FLIP FLOPS. Und, wie gesagt, sie brauchen im Schnitt die Hälfter der Zeit, die wir gebraucht haben - und wir waren laut den meisten Lodge-Besitzern ziemlich schnell. Das könnte aber eben an unserer Taktik gelegen haben, bergab zu rennen wie die Nepalesen - nur mit dem bergauf-Rennen hat es nicht so geklappt :)
So wie auch der erste Tag bot der Beginn des zweiten Tages landschaftlich gesehen Acker-Terassen und wenig Grün, dafür aber immer wieder kleinere Häuseransammlungen und freundlich grüßende Bauern, was in den kommenden Tagen immer seltener wurde. Nach den ersten 2 Stunden begann dann der nächste Anstieg durch immer dichter werdenden Wald, der mediterran wirkte und uns eher an kroatische Küstenwälder erinnerte als an fröhliche Alpentannen. Das erinnert mich daran, dass wir auf dem Weg mehrmals eine deutsche Familie (ein 72-jähriger Vater mit seinen erwachsenen Kindern) getroffen haben, die wie die meisten Leute, die im Himalaya trekken gehen, einen Guide und einen Porter (der das Gepäck schleppt) dabei hatten. Der Vater war bereits mehrmals auf dem Helambu Trek gewesen und hatte von seiner ersten Wanderung ein Tagebuch, aus dem er uns eine sehr genaue Beschreibung der Fauna und Flora vorgelesen hat...mit anderen Worten, ich will nicht so sehr ins Detail gehen, aber es gab sehr viele Blumen, Sträucher, Bäume, die man nicht alle Tage sieht, und es war - auch für Nicht-Biologie-Studenten :) - interessant, durch so viele Vegetationszonen zu gehen.
Auf dem Foto unten sieht man unser feudales Frühstück der ersten Tage (Sparbrötchen, wie gesagt) - ein Brot, das wir in einer deutschen Bäckerei in Kathmandu erstanden haben. Ab Tag 3 sind wir dann aber auf tibetanisches Brot umgestiegen, was einfach NUR geil schmeckt und von dem man niemals genug essen kann.
Hier ein Bild von Jasper nach unserer Mittagspause an Tag 2, mit signifikantem Ranger-Hut (für den er zwar viel Spott (eigentlich Bewunderung, es ist nur falsch rübergekommen :) ) von uns geerntet hat, aber das hat sicher weniger gestochen als mein krebsroter Frontalsonnenbrand), sportlich-praktisch untergebrachter Wasserflasche und den legendären (legend-wait for it-dary) Sandalen - und ja, er IST damit durch Schnee gewatet.

Am 2. Tag sind wir insgesamt 10 Stunden gegangen, mit zwei halbstündigen Pausen. In Kutumsang, auf 2600 m Höhe, haben wir das erste Mal eine gratis-Unterkunft angeboten bekommen, dann aber doch beschlossen, bereits am Abend die Grenze des Langtang-Nationalparks zu überqueren (Eintritt immerhin 10 Euro) und uns eine Bleibe innerhalb des Parks zu suchen. Dort gab es die erste heiße Dusche in drei Tagen, einen warmen Ofen im Speisezimmer und sehr gutes Essen - nur ereilte uns hier leider das Bewusstsein über unsere finanzielle Lage, die alles andere als rosig aussah...wir mussten kalkulieren, ab jetzt mit einem Euro pro Tag auszukommen - was ungefähr eine Knoblauch- oder Tomatensuppe pro Tag bedeutet hätte, vielleicht noch einen Tee. Bei bevorstehenden 1300 Höhenmetern innerhalb des nächsten Tages nicht gerade das, was man als gute Aussicht bezeichnen kann...
Aber wie es halt immer so ist, man weiß nie, was der nächste Morgen bringt. In unserem Fall waren es über 10 000 Rs. (1o0 Euro). Aber dazu mehr in Teil II...




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